Ich treffe Kirsten auf einem Bolzplatz. Die Sonne scheint. Sie hat Bier dabei. Wir sprechen über echte Liebe, Heimat und Fußball.
Fußball und Bier gehören schon irgendwie zusammen?
Unbedingt ja! Manchmal, wenn ich zuhause sitze und Bock auf ein Bier habe, denke ich mir: Morgen ist Fußball, da trinkst du eh schon wieder eins, also trinkst du heute mal lieber nix. Das muss dann schon sein. Sowohl im Stadion als auch zuhause.
Du schaust Fußball also zuhause und im Stadion?
Ja. Mein Stadion ist ja das Westfalenstadion und da ich mittlerweile 380km entfernt wohne komme ich da nicht mehr so häufig hin, auch wenn ich eine Dauerkarte habe. Und deshalb muss ich halt ab und an Spiele zuhause oder in der Kneipe gucken. Das BVB-Netradio mache ich mir auch sehr gerne an. Das ist so schön parteiisch und schwarz-gelb gefärbt. Auch dabei kann man hervorragend Bier trinken.
Bier trinken war aber nicht der Grund warum du zum Fußball gekommen bist?
Nein. Aber da fängt es auch schon an. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr genau. Meine Eltern sind sehr sportlich und ich bin im Grunde auch auf dem Sportplatz aufgewachsen, aber mehr in der Leichtathletik. Wenn große Sportereignisse sind laufen die bei uns immer im Fernsehen. Heute noch, aber damals sowieso. Ich durfte erst ziemlich spät Fernsehen gucken, aber meine Eltern erzählen sich immer, dass ich Fußball ganz toll fand. Da bewegte sich alles und alles war so schön bunt. Und es ist noch heute so, dass wir, wenn ich zuhause bin, relativ viel Sport gucken und Fußball gehört dann auf jeden Fall dabei.
Und wie bist du dann zu deinem Verein gekommen?
Auch das weiß ich leider nicht mehr genau! In Lippstadt in Westfalen gibt es Dortmund, Schalke und ein paar Bayern. Lippstadt ist ja auch die Geburtsstadt von den Rummenigges. Mein Opa, also der Vater meiner Mutter, war lustigerweise Schalker. Der ist aber gestorben, als ich 5 war. Wenn der länger gelebt hätte, wäre mein erster Stadionbesuch sicher nicht 2001 im Westfalenstadion gewesen, sondern wahrscheinlich mit 7 oder 8 Jahren im Parkstadion. Dann wäre alles anders gekommen. Ich habe seit 1996 schon mit dem BVB sympathisiert, da waren sie gerade das zweite Mal Meister geworden. Und dann hatte ich einen Freund, der in Dortmund gewohnt und gearbeitet hat, aber eigentlich Gladbacher ist. Der sagte dann: „Wenn ich hier schon wohne und die spielen Champions League, müssen wir uns mal ein Spiel von denen im Stadion angucken.“. Es war ein Flutlichtspiel am 19.09.2001, also Neunzehn Null Neun; war dann auch irgendwie Schicksal. Champions League Quali Dortmund – Liverpool. Es hat geschifft wie Sau. Es war ein grottiges 0-0. Aber ich kam diese Stufen hoch, das Flutlicht leuchtete und ich habe da mit offenem Mund gestanden und dachte mir: Geil! Da sah ich dann auch das erste Mal die Südtribüne und dachte mir, dass ich zwischen den Bekloppten nicht stehen wollen würde.
Aber dann kam alles anders und wir haben es über 7 Kanäle geschafft Dauerkarten für die Süd zu kriegen. Und seit der Saison 2003/2004 habe ich meine Dauerkarte für die Südtribüne, die ich auch nie mehr abgeben werde. Die werden vererbt. Der Freund ärgert sich wohl heute noch. Hätte er mich damals mit zum Bökelberg genommen, wäre vielleicht alles nochmal anders gekommen. Aber seitdem bin ich angefixt und dem Herz dabei.
Was bedeutet Fußball für dich?
Viele stoßen sich ja an unserem Claim „Echte Liebe“. Das ist es aber tatsächlich für mich. Ich habe mehr beim Fußball geheult, als nach Beziehungen, die kaputt gegangen sind. Bei jedem Spiel, dass ich im Stadion sehe, denke ich, wenn ich die Stufen zu unserem Block hochgehe: Zuhause. Es ist ganz viel Heimat und natürlich auch Spaß, gerade wenn sie gut spielen. Es schweißt aber auch zusammen, wenn sie scheiße spielen. Wir stehen in einer ganz netten Ecke mit immer denselben Leuten. Es ist schon ein relativ wichtiger Teil meines Lebens. Auch wenn es nur Fußball ist. Aber ne. Und da ich weit weg von Zuhause bin, ist es nochmal so ein Stück Heimatverbundenheit.
Wie häufig bist du dann im Stadion?
Ich versuche die Knallerspiele mitzunehmen. Gegen Bayern oder Schalke, wo es eh nur ganz schwierig Karten gibt. Ich schaffe es schon einmal im Monat. Und ich versuche natürlich die Besuche bei meinen Eltern so zu legen, dass es mit einem coolen Heimspiel zusammenfällt. Meine Mama hat auch eine Dauerkarte und wenn ich nicht kann, dann gehen meine Eltern zusammen. Mein Papa nimmt dann meine Dauerkarte und vertritt mich würdig.
Wie schaut es bei dir denn mit Glücksbringern aus?
Ich bin sehr abergläubisch! Ich muss immer denselben Schal mitnehmen. Und auch schon dasselbe Trikot. Ich habe aber nur drei Trikots. Da gibt es nicht so viel Auswahl. Und es ist schon so, dass ich, wenn wir verloren haben, dass was ich da anhatte drei-vier Spieltage nicht mehr anziehe. Viel sagen, es liegt gar nicht an mir oder meinem T-Shirt wenn wir verlieren. Ich bin mir da aber nicht so ganz sicher. Man weiß es ja nicht. Ich habe auch ein Paar selbstgestrickte Dortmund-Socken und die waren irgendwann weg; im Schrank in eine Ecke gerutscht, wo ich sie nicht sehen konnte. Und das erste Wochenende, wo ich sie nicht anhatte haben sie gegen Bayern verloren. Das sacht ja alles.
Das passiert ja sonst nicht.
Eben!
Weitere Rituale? Pferdestall in Dortmund?
Nein. Schwimmbad. Vor der Südtribüne ist halt das Schwimmbad. Und davor gibt es auch eine Bier- und Würstchenbude. Und wir müssen vor dem Spiel dort immer ein Bier trinken und eine Currywurst essen. Man weiß ja nicht, wie das Spiel sonst ausgeht. Immer an derselben Bierbude und immer mit denselben Leuten. Das ist schon wichtig.
Das klingt jetzt ja schon ein bisschen fußballromantisch. Die gute alte Zeit. Currywurst. Bier. Stadion. Und dann kommt sowas wie „Echte Liebe“ als Marketingmaschinerie. Wie stehst du zum „Modernen Fußball“?
Ein bisschen zwiespältig. Natürlich sehe ich ein, dass man es wahrscheinlich einfach mitmachen muss, um im Geschäft zu bleiben. Und es gab ja auch Zeiten, wo Dortmund wirklich jeden Euro brauchen konnte. Aber manchmal, wenn ich mir den Fankatalog angucke, der ja jedes Jahr dicker wird, wo es unfassbar viel Gedöns gibt, es gibt Sekt und Bonbons und alles mit BVB, wird mir das alles ein bisschen zu viel. Das lässt sich aber nicht mehr stoppen und diese richtig guten alten Zeiten vom Bolzplatz gibt es nicht mehr. Das ist vorbei. Wobei, als ich 2001 das erste Mal ins Stadion ging, waren wir etwas dem Größenwahn verfallen. Die richtig alten Zeiten kenne ich ja gar nicht mehr. Aber wie gesagt, dieser Fankatalog kann einfach nicht wahr sein. Es gibt Brandeisen vom BVB, mit dem man sein Fleisch auf dem Grill mit dem Logo verzieren kann. Aber offensichtlich scheint es Leute zu geben, die das kaufen, sonst würden sie es ja nicht anbieten.
So lange es nur das Grillfleisch ist…
Es schrieb schon einer, dass nun endlich die Sadomaso-Schiene bedient wird…
Zum Abschluss die Frage: Warum der BVB?
Wie es gekommen ist weiß ich nicht. Aber gerade die Zeit mit Klopp… Normal geht ja irgendwie nicht. Zum Beispiel das Spiel gegen diese Norweger, gegen Odds. Wir können ja nicht normal gewinnen. Wir können nicht normal spielen. Und ich war jetzt beim Abschiedsspiel von Dedê und da waren 81.000 Zuschauer im Stadion. Es werden natürlich alle sagen, dass ihr Verein was ganz besonderes ist. Schwierig. Es ist halt echte Liebe. Wo die Liebe hinfällt.
Und mir gefällt, dass es ein bisschen wie eine Familie ist und dass die Jungs sich auch außerhalb des Platzes ganz gut verstehen. Mich spricht es schon an, wenn der Tuchel sagt, dass wir einen höfflichen Umgangston miteinander haben. Es ist das Gesamtpaket.
Viele Dank für das Interview.
Kirsten betreibt Kirstens Weblog und ist auf Twitter als @KirstenKonradi unterwegs.
Mit Fußball-Menschen möchte ich euch Menschen vorstellen, die den Fußball lieben und euch ihre Geschichten erzählen.
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